Change Management
Aufbau und Reorganisation HR

Verpasst HR die Chancen der Digitalisierung?

 


HR digitalisiert zwar die Abläufe in den HR Prozessen,  ist jedoch zu wenig aktiv, wenn es darum geht, die Chancen der Digitalisierung im Unternehmen als Steuerungsfeld zu besetzen.   

Die Mitarbeiter eines Unternehmens digitalisieren ihren Alltag. Den Urlaub kann man online buchen, die Restaurantreservierung auch. Die Zählerstände für den Wasserverbrauch kann man online eingeben und Versicherungen können online verglichen werden. In sehr vielen Bereichen verändert sich das alltägliche Leben, es wird schneller, ist nicht mehr gebunden an Ort oder Zeit und bietet ein direktes Feedback über den Erfolg einer Aktion. Immer da, wo plötzlich noch ein papiergestützter Ablauf verlangt wird, wirkt das eher störend. 

Unternehmen digitalisieren ihre internen und externen Prozesse und wollen langsame, papiergestützte Prozesse digital schneller und sicherer machen. Doch es gibt auch Grenzen: Wenn z.B. die analoge Kommunikation, also das Gespräch zwischen Menschen, durch digitale Abläufe ersetzt wird. Kann ich beispielsweise im Außendienst eine App benutzen, brauche ich den Kontakt zu meinen Kollegen im Innendienst nicht. Und jeder kennt den Kollegen, der gerne seitenlange E-Mails schreibt, anstatt einfach mal anzurufen.

Durch die Digitalisierung von Arbeitsprozessen und insbesondere durch Remote Work kann die zwischenmenschliche Kommunikation verkürzt werden bis hin zum Wegfall der analogen Kommunikation. Schon der nonverbale Inhalt von E-Mails ist oft Interpretationssache. Es gibt bedingt durch die digitalen Prozesse weniger persönlichen Kontakt, der wichtig für das Miteinander unter den Kollegen und für die Wirksamkeit von Führung ist.  

Daraus folgt, dass sich die Führungsrolle durch die Digitalisierung verändert und neu gedacht werden muss: Wie kann eine Führungskraft ihre Mitarbeiter entwickeln, unterstützen und beurteilen, wenn es weniger Möglichkeiten gibt, das Mitarbeiterverhalten zu beobachten und zu erleben? Wo können Mitarbeiter ihre Ideen austauschen und reflektieren? Wo bekommen sie Unterstützung, wenn es mal nicht gut läuft? Wie können schwierige Mitarbeitergespräche in einer digitalen Welt gelingen? Wie kann ein Team unter diesen Voraussetzungen entstehen?

Es braucht neben der digitalen Zusammenarbeit regelmäßige emotionale Touchpoints, bei denen sich Mitarbeiter und Vorgesetzte austauschen können, wenn auch virtuell. Das können virtuelle Kaffeepausen, 1:1 Gespräche oder bewusst geplante analoge Treffen sein. Diese Möglichkeiten müssen in einer digitalen Umgebung durch die Führungskräfte jedoch erst geschaffen werden. Doch wer unterstützt die Führungskräfte dabei, in Ihre neue Rolle hineinzuwachsen und gibt ihnen Anregungen zum Etablieren der Touchpoints?

Wenn sich durch die Digitalisierung von Arbeitsabläufen die Anforderungen an Mitarbeiterqualifikationen ändern oder Stellen möglicherweise redundant werden, wer nimmt dieses Thema innerbetrieblich auf, qualifiziert die vorhandenen Mitarbeiter und stimmt das Recruiting auf die neuen Gegebenheiten ab?  

Genau hier erlebe ich im Moment, dass HR zwar die Automatisierung in den eigenen Prozessen (Mitarbeiterinformationssysteme, Gehaltsplanung, Zeiterfassung) vorantreibt, aber im Unternehmen nicht immer ausreichend als Sparringspartner und Gestalter wahrgenommen wird, wenn es um die Auswirkungen der digitalen Unternehmensstrategie auf die Mitarbeiter geht. Ich beobachte, dass es oft den Fachbereichen überlassen wird, sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf ihre Mitarbeiter auseinanderzusetzen. Damit verzichtet HR auf Möglichkeit, die Digitalisierung in einem Unternehmen personalpolitisch zu beeinflussen und zu gestalten. 

Fazit: Die Anforderungen an HR in der Digitalisierung gehen daher weit über die bloße Aufgabe der Digitalisierung von HR Prozessen hinaus. Die aus meiner Sicht wichtigere Aufgabe von HR ist es, die Digitalisierung im Unternehmen personalpolitisch mit zu gestalten und mit Fachbereichen, Mitarbeitern und Arbeitnehmervertretungen Lösungen für gelingende Führung und Zusammenarbeit in der Digitalisierung zu erarbeiten. In dieser Diskussion müssen auch Fragen der Qualifizierung und Weiterbeschäftigung gefunden werden. 


Employee Xperience 2.0: Trennungskultur in Unternehmen

Wenn über den Begriff der Employee Xperience (EX) gesprochen wird, denkt man zuerst einmal an das Onboarding, die Unternehmenskultur oder die technische Ausstattung des Arbeitsplatzes. Zur Unternehmenskultur gehören jedoch auch die schwierigen Aspekte der Zusammenarbeit im Unternehmen. Irgendwann kann ein Unternehmen in die Situation kommen, sich von einem oder mehreren Mitarbeitern trennen zu müssen. Doch nicht immer ist eine Kündigung möglich oder gewünscht: 

  • Negative Auswirkungen auf das Team oder die Belegschaft werden befürchtet
  • Es ist keine Zustimmung durch die Arbeitnehmervertretung zu erwarten
  • Es ist kein ausreichender Kündigungsgrund vorhanden
  • Es sind keine kündigungsrelevaten Beweismittel vorhanden
  • Der Austritt des Mitarbeiters soll möglichst schnell und geräuschlos durchgeführt werden
  • (…)

 Häufige Rahmenbedingungen in Trennungssituationen:

  •  Die Trennungskultur wird von den Verantwortlichen im Unternehmen nicht aktiv gestaltet
  • Trennungen sind ausschließlich Sache des Bereiches HR, andere Führungskräfte und Bereiche schieben ihre Trennungsfälle an HR ab
  • In Unternehmen liegt der Fokus ausschließlich auf dem betroffenen Mitarbeiter, jedoch nicht auf den nur mittelbar Betroffenen - die im Unternehmen verbleibenden Mitarbeiter

In der Praxis findet man häufig die vermeintlich schnellste Lösung: Durch das Angebot eines Aufhebungsvertrages wird häufig seitens des Unternehmens versucht, den Mitarbeiter aus seinem Arbeitsvertrag heraus zu kaufen. Aber der Mitarbeiter ist nicht verpflichtet,  den angebotenen Vertrag zu unterzeichnen!

 Die Folgen der gescheiterten Verhandlung können vielschichtig sein:

  •  Der betroffene Mitarbeiter ist (noch mehr) demotiviert, da er ein Aufhebungsvertrags – Angebot erhalten hat
  • Die nur mittelbar betroffenen Arbeitnehmer werden im Hinblick auf ihre eigene Situation und ihre berufliche Zukunft stark verunsichert
  • Die Bereichsleitung/Geschäftsführung erhöht den Druck auf den Bereich HR,  eine Lösung zu finden
  • Der Mitarbeiter blockiert eine (seine) Stelle, solange er noch da ist und notwendige Veränderungen können nicht umgesetzt werden

Warum ist das bewusste Steuern der Trennungskultur in einem Unternehmen so wichtig?

Die anderen Beschäftigten des Unternehmens nehmen die gerade erfolgte Trennung von Mitarbeitern nur von außen wahr. Sie kennen die Details des jeweiligen Falles in der Regel nicht oder sind durch den oder die betroffenen Mitarbeiter einseitig informiert worden. Die verbliebenen Mitarbeiter beschäftigt die Frage: „Wenn ich an der Stelle des Betroffenen wäre, wie würde man mit mir umgehen“? Das was im konkreten Fall zu sehen oder hören ist, produziert in dieser Gruppe die Reaktion: „So läuft das hier also!“

Daraus folgt: Auch wenn eine Trennungskultur in einem Unternehmen nicht bewusst gesteuert wird, ist sie dennoch vorhanden und entfaltet ihre Wirkung.

Die grundsätzliche Haltung des Unternehmens in einer guten Trennungskultur muss wertschätzend sein. Das zu erreichende Ergebnis ist dann nicht nur die „Trennung im Guten“, sondern auch das Signal in die Organisation, dass wenn es zum schlimmsten Fall im Arbeitsleben kommt, das Unternehmen respektvoll, wertschätzend und menschlich mit den betroffenen Arbeitnehmern umgeht. So hat das Unternehmen die Möglichkeit, sich in einer Ausnahmesituation als verantwortungsvoller Arbeitgeber zu positionieren. Wertschätzend bedeutet, dass sowohl der Trennungsprozess transparent, offen und fair abläuft, als auch bei Restrukturierungen Angebote gemacht werden, um die Zukunftsängste der Betroffenen aufzugreifen.

 Die vernachlässigte Gruppe: Die aktiven Mitarbeiter im Unternehmen

Oft vernachlässigen die verantwortlichen Führungskräfte nach einer Restrukturierung oder Personalanpassung, dass es eine weitere Gruppe von betroffenen Mitarbeitern in der Organisation gibt: Die verbleibenden, aktiven Mitarbeiter im Unternehmen. Die verbleibenden aktiven Mitarbeiter müssen in einer Trennungssituation mehr Aufmerksamkeit erhalten, um weiteren Kolleteralschaden zu vermeiden. War in einer ungesteuerten Trennungskultur mit Abschluss des Austritts des oder der Mitarbeiter der Fall für das Unternehmen erledigt, bezieht eine gesteuerte Trennungskultur die verbleibenden Mitarbeiter in den Trennungsprozess mit ein. Es gilt, die erlebte Veränderung zu verarbeiten und aus dem Gefühlemix zwischen Betroffenheit („Er war ein netter Kollege.“), Wut („Das können die doch nicht einfach machen!“), Erleichterung („Gut dass es mich nicht getroffen hat.“) und Furcht („Wann trifft es mich?“) als Arbeitgeber zu begleiten. Dies kann u.a. mittels einer planvollen, zielgerichtet-wertschätzenden Kommunikation gelingen, ohne dabei „aus dem Nähkästchen zu plaudern“. Denkbar sind bei größeren Veränderungsprojekten Veranstaltungen (z.B. Workshops) und bei kleineren Gruppen zum Beispiel Coachings, die sich unmittelbar an die aktiven Mitarbeiter richten. 

Ziel ist es, die aktiven Mitarbeiter im Unternehmen zu stabilisieren und den Produktivitätsverlust so gering wie möglich zu halten. Nebeneffekt: Am Arbeitsmarkt erscheint das Unternehmen auch für Bewerber weiterhin als interessanter Arbeitgeber. 

 
 
 
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